„CAMPUS“ DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT BERLIN (1948; 1952; 1959 –1983)


(24.04.2003, anlässlich der Ausstellung Bernard Hermkes(1903-1995) mit einem Beitrag der Plansammlung der UB der TU Berlin.)



Die Entfremdung der postmodernen Architektur von der Landschaft drückt sich in dem heute beinahe inflationär verwendeten Begriff „Campus“ am prägnantesten aus. Campus steht zwar für die „Gesamtanlage der Hochschule, Universitätsgelände“ (Duden), gebraucht wird er in der Regel als Synonym für den Gebäudekomplex der Hochschulen bzw. Universitäten unter Nichteinbeziehung der Freiflächen.
Beispielhaft ist die von Michael Bollé 1994  herausgegebene Publikation „Der Campus“ zu nennen, untertitelt als „ein Architekturführer durch das Gelände der Hochschule der Künste (jetzt Universität der Künste) und der Technischen Universität Berlin“[i].
Obwohl die historische Bedeutung des Gartens auf dem Stammgelände der TU  im einführenden Kapitel Bollés „Zur Geschichte des Geländes“ zumindest nicht unerwähnt bleibt, ist der Freiraum nicht Gegenstand der Betrachtung.
Das Schwinden der Landschaftsverbundenheit der Architektur vollzog sich in den letzten drei Jahrzehnten, und steht heute im Kontrast zur damaligen Auffassung der Architekten und der Architekturstudenten.
Als Herta Hammerbacher 1946 den Lehrauftrag an der Architekturfakultät der TU Berlin erhalten hatte, hielten die Professoren der Architekturfakultät „die innige Verbindung des Hauses mit dem Garten und mit der Landschaft“ für selbstverständlich. Sie forderten, „ein ausgiebiges Studium der Garten- und Landschaftsgestaltung“[ii] im Rahmen des Hochschulstudiums zu ermöglichen.
Noch im Januar 1962 hatte die „Fachschaft Architektur“ ein Schreiben bezugnehmend auf die anstehende Landschafts- und Gartengestaltung des TU-Nordgeländes verfasst, und den „zuständigen und betroffenen Stellen“[iii] zugeleitet:

dem Dekan der Fakultät III (Architektur), Herrn Professor Schwennicke,
Herrn Professor Dübbers – Neuplanung Nordgelände -,
Frau Professor Hammerbacher – Grünplanung Nordgelände -,
Herrn Professor Heiliger – Entwurf Reuter-Gedenkstätte -,
Herrn Professor Hermkes – Neubau Fakultät III -,
Herrn Professor Scharoun – Neubau Fakultät III -,
dem Raum- und Bauausschuß der TU,
dem Senator für Bau- und Wohnungswesen
  z. H. Herrn Senatsbaudirektor Düttmann,
dem Senator für Bau- und Wohnungswesen – Baugruppe Universität – z. Hd. Herrn Oberbaurat Horstmüller.

„Die Studenten der Fachschaft Architektur der Technischen Universität Berlin sind der Meinung, dass das neue Nordgelände, auf dem auch der Neubau der Architekturfakultät stehen wird, in gartengestalterischer Hinsicht vorbildlich werden sollte.

                  Zwar werden Architekturstudenten, die sich speziell und vertieft mit Landschafts- und Gartengestaltung beschäftigen wollen, die Anlagen der Fakultät für Landbau in Dahlem bzw. den Botanischen Garten benutzen; es sollte also auf dem Nordgelände kein Lehrgarten im engeren Sinne entstehen. Doch wird es sich bei jenen Interessierten immer nur um einen geringen Prozentsatz handeln.

                  Es scheint wichtig zu sein, auch dem Gros der Architekturstudenten auf dem Nordgelände eine gute Gartengestaltung und nicht Verlegenheitslösungen zu demonstrieren: Wenn Studenten nicht einmal beim Neubau ihrer eigenen Universität gute Beispiele sehen, dann wird sich Resignation und Mittelmaß um so eher in ihrem späteren Tun ausbreiten.

                  Daher wird Folgendes vorgeschlagen:

1.     Die gesamte Bepflanzung des Nordgeländes sollte eine Art Demonstrations-, Experimentier- und Lehrobjekt sein. Es sollten beispielsweise verschiedene Möglichkeiten der Berankung von Gebäuden und der Gestaltung von Wegen und kleinen Plätzen usw. gezeigt werden.
2.     Eine „Intensivzone“ in Nähe des Neubaus der Architekturfakultät wäre wünschenswert, etwa in dem entstehenden Hof zwischen Hochbau, Flachbau und dem Institut für Heizung und Lüftung sowie im Bereich der Ernst-Reuter-Gedächtnisstätte.
3.     Es muss eine Oberaufsicht des Lehrgebietes für Landschafts- und Gartengestaltung /z. Zt. Frau Professor Hammerbacher) über die gezielte Bepflanzung des Nordgeländes und der Weiterpflege dieser Bepflanzung festgelegt werden. Das Lehrgebiet müsste also auch in Zukunft Weisungsrecht für das auf dem Nordgelände arbeitende gärtnerische Personal erhalten. Unter Umständen müsste ein Gärtner speziell für das Nordgelände angestellt werden; auch müssten ausreichende Mittel vor allem für die o. a. Weiterpflege zur Verfügung gestellt werden.

Die Studenten der Fachschaft Architektur hoffen, das es den zuständigen Stellen möglich sein wird, die oben geäußerten Vorschläge zu verwirklichen. Finanzielle Erwägungen sollten hierbei nicht die Gestaltung bestimmen, sondern – ihrem Wesen entsprechend – die Ausführung ermöglichen. Einige im Herbst des Vorjahrs erschienene Zeitungsartikel des Inhalts, der Senat von Berlin werde dem weiteren Ausbau der Technischen Universität, speziell der Fakultät für Architektur, besonderes Augenmerk widmen, bestärken diese Hoffnung.“[iv]

Erst 1972 führte Hammerbacher den Begriff „Campus“ bewußt ein. Ihren Pflanzplan für den Bereich der zentralen Grünanlage des Nordgeländes betitelte sie  „Pflanzplan Campus“.
Damals wurde die „Ausbauplanung“ der TUB, d. h., eine weitere Überbauung des Nordgeländes eingeleitet. Obwohl Hammerbacher zu dieser Zeit seit drei Jahren emeritiert war, behielt sie die Planung der Grünflächen noch in der Hand, um das einst hergestellte Gesamtgefüge der Grünflächen, an der sie über zwanzig Jahre lang gearbeitet hatte,  gegen die ‚steinerne Invasion‘ schützen zu können.
Hammerbacher hielt den Begriff „Campus“ wie einen Schutzschild hoch, wies darauf hin, dass eine Universität repräsentativ in einem weitläufigen und gepflegten Park, also im Campus eingebettete sein sollte.[v] In der Realität ist das Verhältnis genau umgekehrt, der Campus Hammerbachers, sowohl auf dem Stammgelände, als auch auf dem Nordgelände, stellte ein von den Gebäuden eingeschlossenes Kleinod dar.
Den Hochschulpark des TU Stammgeländes (1952) sowie die Grünflächen des Nordgeländes(1959-1972, 1977-1983) gestaltete sie nicht nur nach dem Gesichtspunkt eines Erholungsgartens, sondern auch eines „Studiergartens“[vi]. Die oben geschilderten Forderungen der Architekturstudenten, ihrer Schüler im Jahr 1962, wird sie wohl nicht direkt beeinflusst haben. Dennoch ist es  eine zulässige Vermutung, dass ihre über fünfzehnjährige Lehre an der Fakultät für Architektur auf diesen Weg Früchte getragen hat.

Luftbild  der TU Berlin ( Hochschularchiv)
Mit der Neugründung der TU Berlin 1946 gab es zwar Überlegungen, die gesamte Universität an die Peripherie der Stadt zu verlegen. Man entschied letztendlich aber gegen die Verlegung des Standortes am Ernst-Reuter-Platz, der einen engen Kontakt mit den kulturellen Einrichtungen der Stadt und dem städtischen Leben überhaupt gewährleistete.“[vii]  Ein Eigenleben der Universität „irgendwo im Grünen“ sollte vermieden werden.
Die räumliche Beschränktheit auf dem Nordgelände wird der Bezeichnung eines Campus nach Hammerbachers eigener Definition kaum gerecht. Als sie 1977 die Grünflächengestaltung im Zuge der „Ausbauplanung“ fortführte, hielt sie an dem Begriff „Campus“ dennoch weiter fest, um zu demonstrieren, dass jede weitere Reduzierung der Grünflächen zugunsten von Bauten mit einer Beeinträchtigung der gesamten Universitätsidentität gleich zu setzen wäre.



Hammerbacher fiel im Zuge des Wiederaufbaus des TU Stammgeländes als dem alleinigen Lehrkörper der Landschaftsgestaltung an der Fakultät für die Architektur der Technischen Universität Berlin die Aufgabe der Grünflächenplanung des Universitätsgeländes zu. Nach Geist und Bollé war die Planung, sowohl für das Stammgelände als auch das Nordgelände „in Händen von Mitgliedern der Architekturfakultät der TU, die entsprechende Projekte auch in die Lehre einbrachten.“[viii]
Den ersten Entwurf zeichnete Hammerbacher 1948 für den Garten des Verwaltungsgebäudes, des ehem. Studentenhauses, das als einziges Gebäude im Bombenkrieg unzerstört blieb[ix].

Bezugnehmend auf die Zweckbestimmung des Verwaltungsgebäudes gestaltete sie den Garten nach dem  Prinzip der sachlichen Ordnung, das in ihren Entwürfen insgesamt sehr selten vorkommt.

Mit der eigentlichen Planung des Stammgeländes konnte erst 1952 begonnen werden. Sowohl die herrschende Material- und Finanznot, als auch die heftige Diskussion über die städtebauliche und architektonische Identitätsfindung der Nachkriegszeit zögerten die Entscheidung hinaus.
Die Erhaltung der wilhelminischen Architektur des Hauptgebäudes, - das Hauptgebäude wies nach Suckale einen durchschnittlichen Beschädigungsgrad von 48 % auf, wobei die Beschädigung hauptsächlich den Innenraum betraf, das Mauerwerk blieb weitgehend unversehrt -, wurde in Frage gestellt, man forderte einen sachlichen Neubau.[x]
Letztendlich entschied die Notsituation zugunsten des Ausbaus des wenig zerstörten Südflügels.

Hammerbacher legte am 6. Juni 1952 den Entwurf für den „Gartenplan“ vor. Der Entwurf im Maßstab 1:500 sah eine parkartige Gestaltung des Außenbereichs südlich des Hauptgebäudes vor.


Umschlossen wurde der Park im Osten von einer Gebäudegruppe (Institute für physikalische Chemie, für Technische Strömungsforschung, der Versuchsanstalt für Heiz- und Lüftungswesen des Wasserbaulaboratoriums, und das Kesselhaus) und im Süden von der  Hertzallee, - der früheren Kurfürsten Allee, an der das teilzerstörte alte Physikgebäude (Baujahr 1939) noch existierte.

Im Wissen, dass das zerstörte Gelände ursprünglich im Stil des Landschaftsgartens des 19. Jahrhunderts angelegt war, ging Hammerbacher eine gestalterische Synthese ein, indem sie den Landschaftsgartenstil des 19. Jahrhunderts nicht geradlinig übernahm, sondern wesentliche Änderungen vornahm: die Wege wurden nicht „selbst ästhetisierend“, sondern dem Zweck und der Notwendigkeit entsprechend geführt. Außerdem wurden die Hauptflächen durch den Verzicht auf die unnötig schlängelnden Wege, die im 19.Jahrhundert üblich waren, so groß wie möglich erhalten.
Um ihre Architekturkollegen Hertlein und Dübbers von deren Vorstellungen einer strengen Axialität in Verbindung mit großen Wagenabstellflächen abzubringen, argumentierte Herta Hammerbacher mit historischen Bezügen. Da ihr damals keine alten Pläne zur Verfügung standen zog sie „zur Beweisführung“ historische Bücher aus ihrem eigenen Besitz hinzu und legte den „Herren“ die Gestaltungsauffassung für Gärten und Parke des 19. Jahrhunderts dar, - keine Axialität, sondern Landschaftlichkeit. (Hammerbacher 1977)

Ihr Grundgedanke war, den Park als einen Studier- und Erholungsgarten, aber auch als Kommunikationsstätte nutzbar zu machen. Die zwei großen Rasenflächen beidseitig des leicht geschwungenen (nicht schlängelnden) Hauptweges erhielten sanfte Muldungen, um die Räume optisch zu erweitern, und zugleich die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Mehrere Sitzplätze wurden errichtet, eine lange geschwungene Sitzmauer schloß den Park im Osten ab. An Sommertagen wurden die Rasenmulden von den Studenten als Liegewiesen genutzt.
Die räumliche Gliederung erfolgte durch Gehölzgruppierungen. Da für Pflanzungen keine Geldmittel vorhanden waren, akqirierte Hammerbacher Sponsoren. Die Stadt Bremen und die Baumschule Tiergarten Berlin lieferten Rhododendren und Laubgehölze. Ein Pflanzplan konnte unter diesen Umständen natürlich nicht erstellt werden, die Anordnung der gelieferten Pflanzen erfolgte vor Ort.
Für Wegeflächen standen die Steinplatten vor dem Eingang des zerstörten Teiles des Hauptgebäudes im Norden zur Verfügung. Das unzerstörte Material verwendete sie für die Vorplätze an den Haupteingängen und für den Hauptfußweg, die zersplitterten Steine wurden für die Nebenwege benutzt, mittels durchgehender Fugen rhythmisiert. (HH 1979)
Im April 1953 konnte der Südflügel des Hauptgebäudes mit dem Hochschulpark offiziell eingeweiht werden.




Der Beschluss zur Erweiterung der Technischen Universität durch das Nordgelände wurde 1957 gefasst. Die zunächst mit vier Fakultäten, für Allgemeine Ingenieurwissenschaften, für Architektur, für Bauingenieurwesen und für Maschinenwesen wieder eröffnete Technische Universität erfuhr ein schnelles Wachstum. 1948-50 errichtete man die Humanistische Fakultät, 1951 die Fakultät für Landbau. 1952 folgte die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Die Studentenzahl stieg von 1.533 im Jahr 1946 auf 3.900 im Wintersemester 1954/55.[xi]
Technikentwicklung und das Wirtschaftswunder erforderten und ermöglichten die Gründung weiterer Fakultäten in schneller Folge. 1955 wurde aus der Fakultät für Maschinenwesen das Fachgebiet Elektrotechnik ausgegliedert, und als eigenständige Fakultät gegründet. Mit der 1955 wieder aufgenommenen Kernforschung in Deutschland wurde ein gemeinsames Institut für die Kernforschung der Technischen und der Freien Universität Berlin eingerichtet. 1956 folgte das Recheninstitut, 1957 das Institut für Strömungstechnik, 1958 das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft, 1959 die Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen.

Entwurfsplan, Nordgelände
Zur Abdeckung des gestiegenen Raumbedarfs wies die Stadt Berlin der Technischen Universität ein Gelände von ca. 10 ha zwischen dem Landwehrkanal, der Strasse des 17. Juni und der Marchstrasse (Nordgelände) zu[xii]. Die Flächenkapazität des Stammgeländes war mit der Bebauung der Herzallee ausgeschöpft.

Auf dem Nordgelände sollten die Gebäude für Technische Chemie, für Hochspannung und elektrische Technik, für Wasserbau u. Wasserwirtschaft, für Heizung und Lüftung, Flugtechnische Institute, Kernverfahrenstechnik, Nachrichtentechnik und die Fakultät für Architektur Platz finden.
Das bis zur Jahrhundertwende industriell genutzte Gelände stand  nach der Aufgabe der Gewerbenutzung teilweise für Neubebauung zur Disposition. 17 der nach der Jahrhundertwende entstandenen 39 Villen hatten den Bombenkrieg überlebt..[xiii]

Dübbers, verantwortlich für die Gesamtplanung des Nordgeländes, sah in seinem Bebauungsplanentwurf 1957 eine grundlegende Umstrukturierung des Geländes vor.
Vergleichbar dem im selben Jahr erfolgreich realisierten Konzept des Hansaviertels, wurde erneut eine „aufgelockerte durchgrünte“ Bauweise forciert, das landschaftliche Gesamtkonzept Hammerbachers  bereits in den Lageplan eingearbeitet.

Eine lockere Randbebauung entlang der Strassen ermöglichte, anders als z. B. im Hansaviertel, die Bildung eines zusammenhängenden Freiraumes nutzbarer Größe im Zentrum, wobei die vorhandene Bausubstanz bis auf zwei Villen beseitigt werden musste, die heute das Café Campus
und einen Kindergarten beherbergen.
Die Gesamtstruktur des Geländes entsprach der damaligen Vision der neuen, grünvernetzten Stadt Hammerbachers. 

Mit dem Instrument eines Gesamtbepflanzungskonzeptes wurde dafür Sorge getragen, dem Gesamtgelände ein einheitliches Erscheinungsbild zu verleihen, und zugleich den Forderungen der Architekturstudenten nach einem Demonstrations-, Experimentier- und Lehrobjekt entgegenzukommen:

Das Gesamtgelände sollte entlang der Marchstrasse und des Einfsteinufers durch freiwachsende Heckenpflanzungen aus Blütensträuchern und Parkrosen von außen eingefasst werden (auf dem Plan 535.5 dargestellt mit dem Symbol des langen schmalen durchbrochenen Streifens.) Die vorhandenen Großbäume wurden erhalten, die  Heister sollten  nicht wie eine geschlossene Wand in einer Reihe gepflanzt, sondern als Haupt-Raumblidner auf dem Gesamtgelände bewußt locker verteilt werden.  Auf diese Weise sollte das Gelände als ein Gefüge zusammengehalten,  zugleich aber eine Transparenz zur Umgebung gewährleistet werden.
Um die Zusammengehörigkeit beider Areale, Stamm- und Nordgelände, -  zu versinnbidlichen, wurde die Hauptfront zur Straße des 17. Juni in der gesamten Breite offen gehalten.
Ein ausgeklügeltes Wegesystem, einheitlich nach dem „Hammerbacher-Muster“ gepflastert, vernetzte die Gebäude und die dazu gehörigen Außenräume. Die seitlich diagonal verlaufende Durchwegung im zentralen Bereich demonstrierte das als Dynamik begriffene Drehmoment dieser Vernetzung, und klammerte gleichzeitig eine große Fläche aus, die das Herzstück des Geländes werden sollte. Das Wegenetzsystem, betont durch ein einheitliches Bepflanzungsmotiv in Form von Pflanzinseln,  - bestehend aus zu 25 % immergrünen Zwerggehölzen, Cotoneaster und  kleinen Rhododendren, -am Wegerand, sowie an den Schattenseiten der Gebäude, verstärkte zugleich die Wahrnehmung der räumlichen Vernetzung.
In sonnigen Lagen sollten Stauden, hohe wie niedrige, aber auch Rosen die graugrüne Hauptfarbgebung des Geländes überstrahlen.
Zu den ursprünglich geplanten zwei besonderen Orten, dem repräsentativen Haupteingangsbereich (das „Forum“) zwischen dem Institut für Wasserbau und dem Franz-Fischer-Bau, und der „Grünen Mitte“ kam im Zuge der Planung ein dritter Schwerpunkt hinzu. Dem Gebäudeensemble der Architekturfakultät sollte im Zusammenhang mit der vorgelagerten Ernst-Reuter-Gedenkstätte eine besondere städtebauliche Bedeutung zugestanden werden. Einhergehend mit dem Wunsch der Studenten nach einem Experimentiergarten, entstanden am Architekturgebäude zwei besondere Gärten.
Die drei gestalterischen Schwerpunkte werden nachfolgend detailliert dargestellt.


Ursprünglich sollte das Nordgelände durch eine Unterführung mit dem Hauptgebäude verbunden werden. Studenten, Professoren, Mitarbeiter und Besucher der TU, die an warmen Sommertagen aus dieser Unterführung ausgeströmt wären, hätten sich auf einem weitläufigen, gepflasterten Platz mit kühlem Baumschatten und rhythmisch angeordneten Pflanzenbeeten, aus denen leuchtende Rosen dufteten, wieder gefunden.
Der Platz, von Hammerbacher feierlich „Forum“ getauft, war in einem städtisch architektonischen Quadrat geformt. Das Quadrat wiederholte sich leicht versetzt in der anschließenden Rasenfläche. Durch diese Versetzung erhielt der Platz die Möglichkeit, beide Arme auszustrecken, rechts in den Hofbereich des Instituts für Technische Chemie, und geradeaus ins Geländeinnere.
Wenn man etwa auf der Fluchthöhe der Stirnseite der Hochspannungshalle das Forum verließ und die schmale Fortsetzung der Pflasterung weiter folgte, erreichte man durch den Korridor zwischen dem  Wasserbauinstitut und dem Großen Hörsaal nach einer leichten Rechtsbiegung die grüne Insel des Geländes.
Der große Haupteingangsbereich, das „Forum“ musste dem späteren Bau des Mathematikgebäudes (1973-83) weichen.



Der Flächengewinn für die grüne Insel mitten auf dem Nordgelände wurde dem Paradigma der 50er und 60er Jahre – Abriß und Neubau, - folgend, erzielt, indem mehrere den Krieg überdauerden Villen bis auf zwei abgerissen wurden. In wieweit Hammerbacher ihren Einfluß geltend machte, um diese Flächenfreiheit und-verfügbarkeit zu forcieren, wird sich heute nicht mehr klären lassen. Ein Blick auf dem Lageplan Dübbers (Nr. 236 90) verdeutlicht, dass der radikale Bruch mit der unliebsamen Vergangenheit mehr als gewollt war.
Die Planung der „Grünen Mitte“ erfolgte unbeabsichtigt in zwei  Abschnitten. Die erste Phase schloß mit dem Bepflanzungsplan 1972 ab.  Es ist fragwürdig, ob der Plan ausgeführt wurde, denn in der ersten Planung waren die beiden bis heute erhaltenen Villen nicht berücksichtigt. Wahrscheinlicher ist, dass der Plan verworfen wurde, und erst in einer zweiten Planungsphase, veranlaßt durch den Ausbau des Nordgeländes, der Erhalt der beiden Villen beschlossen wurde. Die Gebäude rückten nun dichter an die „Grüne Mitte“ heran, so dass eine Überarbeitung (1977-1983) erforderlich war.

Ursprünglich, d. h., in der ersten Phase entstanden konzeptionell durch die Achsenverschiebung und Winkelbildung der locker plazierten Gebäude große und kleine Freiräume, die, wie Hammerbacher einmal sagte, das „Temperament der Gartenarchitekten“ herausforderten. (1972 a, S. 348)
Um die Dynamik des bereits geschilderten Wegenetzsystems beizubehalten, das zuerst festgelegt wurde, erhielt der Entwurf der „Grünen Mitte“ eine bewußte Gegenbewegung, die im äußeren Bereich in einer eleganten S - Schwingung hinter die Villa vorbei eilte, die aber im Inneren auf sich ruhend zu ihrem Anfang wiederkehren sollte. (Im Plan Nr. 535.5. als Höhenlinien dargestellt)
Als Pendant zum Hochschulpark des Stammgeländes sollte die „Grüne Mitte“ im landschaftlichen Stil gestaltet werden: der Boden bewegt sich unmerklich sanft, die Pflanzungen folgen den Höhenlinien, so dass sich die Räume verengen, um sich wieder zu erweitern.

Im zweiten, realisierten Entwurf, mußte, - unter Beibehaltung des landschaftlichen Grundgedankens, - die diagonale Hauptbewegungslinie spiegelverkehrt versetzt werden. Sie läuft heute an der Villa vorbei, und mündet in den Werner-Siemens-Bau. (vgl. den Plan 535.40) Durch die weitere bauliche Verdichtung ist die „Grüne Mitte“ eine von Gebäuden umschlossene Insel geworden, die Dynamik der Raumbewegung kann jetzt nicht mehr der Hauptachse folgend in den Norden des Geländes fortgesetzt werden. Sie wendet am Ende der Grünen Insel, und findet nun den Weg im Süden in Richtung Architekturgebäude.


Angeregt durch die Studenten wurden zwei „Intensivzonen“ in der Nähe des Fakultätsgebäude für Architektur vorgesehen, und zwar im Hof („Innenhof“) zwischen dem Architekturgebäude und dem Institut für Heizung und Lüftung sowie im Bereich der Ernst-Reuter-Gedenkstätte („Tiefgarten“).
Da Hammerbacher 1969 emeritierte und ihr Lehrstuhl nicht wieder besetzt wurde, konnten die von ihr, nach ihren eigenen Worten „besonders liebevoll“ gestalteten „Intensivzonen“ (erst 1971 fertig gestellt), infolge der Auflösung des Lehrgebietes nicht mehr als Versuchsgarten genutzt werden.


Bei der Gestaltung des „Innenhofes“ wurde experimentell versucht, zwei völlig unterschiedliche Räume in einer Synthese nebeneinander existieren zu lassen. Hammerbacher teilte die Flächen diagonal in zwei Bereiche.
Das Dreieck am Ostflügel des Hochbaus, „Werkstatthof“ genannt, wurde gepflastert, akzentuiert durch drei in eigenwilliger Geometrie geformte Sitzmauern. An der Nordseite des Hochbaus von Hermkes legte Hammerbacher einen vertieften Vorhof an, als Pendant zum Tiefgarten am Scharounbau. Der übrige Teil des „Innenhofes“ wurde liebevoll landschaftlich gestaltet, mit sanften Hügeln geformt, die mit Schwertlilien- und Gräsergarten geschmückt waren. Ihre berühmte Virtuosität bei der Komposition der Pflanzen drückte sich für diesen Garten insbesondere in der Farbgestaltung aus, inspiriert von einem „Kandinsky-Gemälde“[xiv] .
Der Innenhof leidet seit den 80er Jahren unter akutem Pflegemangel. Die klaren Konturen der Hügel sind verwischt, die Schwertlilien- und Gräser seit Jahren durch Unkraut und Efeugewächse verdrängt.
Vom Campus führt heute noch ein ‚Hammerbacher-Weg’ über den einstigen ‚Kandinskygarten (heute ‚Efeugarten’) durch das Architekturgebäude zum Vorplatz bzw. zum verborgenen „Tiefgarten“.


Eingangsbereich des Architekturgebäudes 
Am 2. Jan. 1962 legten Bernhard Hermkes und Hans Scharoun gemeinsame Entwurfspläne für den Neubau der Fakultät für Architektur im Maßstab 1:200 vor. Hermkes entwarf das Hochhaus, Scharoun den Flachbau. Hermkes erarbeitete 1955 im Auftrag des Berliner Senats einen  Bebauungsplan für den Ernst-Reuter-Platz (ehm. „Knie“).

„Im modernen Städtebau wurde in den letzten Jahrzehnten das Prinzip des allseitig umbauten Blockes verlassen und der über den Zeilenbau hinaus entwickelte Gedanke des frei in den durchsonnten und durchgrünten Raum gestellten Baukörpers als Gestaltungsprinzip anerkannt. Der räumlichen Konzeption des Ernst-Reuter-Platzes ist dieser Gedanke zugrunde gelegt“, erklärte Hermkes  sein Konzept. Der „Hermkes-Plan“ wurde mehrmals geändert, der runde Platz mit dem Kreisverkehr und die lockere Bebauungsstruktur mit heterogenen Bauformen blieb aber erhalten. Ende der 50er Jahre fügte der spätere Senatsbaudirektor Werner Düttmann eine Pflasterung in großmaschigem Raster hinzu, um die unruhige Platzbebauung in einer erkennbaren  Struktur zusammenzuhalten.  [xv]

Von Anfang an sah man vor, an der Nordostseite des Platzes, d. h. vor dem geplanten Neubau der Architekturfakultät, eine Gedenkstätte des „Freien Berlins“ zu errichten. Bernhard Heiliger entwarf eine Bronzeskulptur in Form einer lodernden Flamme, die den “Freiheitswillen“ der Stadt Berlin versinnbildlichen sollte. Die Gedenkstätte wurde im September 1963 pünktlich zum zehnten Todestag Ernst Reuters eingeweiht. Der Bau der Architekturfakultätsgebäude begann zwei Monate später[xvi].
Zuvor wurde Herta Hammerbacher mit der Ausgestaltung der Ernst-Reuter-Gedenkstätte und der anschließende Vorplatzgestaltung des Architekturgebäudes betraut.

Im April 1963 tüftelte sie am Entwässerungssystem der Gedenkstätte, erarbeitete den Ausführungplan des quadratischen durch breite Stufen erhöhten Platzes, auf dem die Bronze von Bernhard Heiliger ausgestellt werden sollte.
Die meisten Menschen, die vom Ernst-Reuter-Platz kommend das Architekturgebäude ansteuern, nehmen nicht wahr, dass die breiten Stufen und das große Quadrat, auf dem die „Flamme lodert“, zur Ernst-Reuter-Gedenkstätte gehören. Mit dem Übergang der westlichen Stufen in eine Stützmauer beginnt der eigentliche Vorplatz des Architekturgebäudes. Der Platz wurde in Fortführung der Gesamtgestaltung des Ernst-Reuter-Platzes in strengen Rastern in hellgrau, abgesetzt durch dunkle Streifen, gepflastert.
Gleichzeitig erstellte Hammerbacher den Entwurf für den Tiefgarten.


Tiefgarten am Architekturgebäude
Die Idee, den östlichen Teil des Platzes, der von Hochhaus und Flachbau wie von einer Kralle umschlossen wird, auf das Niveau des Kellergeschosses zu senken, entstand in einer gemeinsamen Sitzung der drei Entwerfer, Hammerbacher, Hermkes und Scharoun. Der Tiefgarten war ursprünglich als ein architektonischer Wasser-Terrassengarten konzipiert. Hermkes nannte den Garten auch „Terrassengarten“.
Das Wechselspiel zwischen den schiefwinklig geometrisch geformten Wasserbecken und  Pflanzbeeten sollte auf dem oberen Vorplatz beginnen, und sich in rhythmischer Wiederholung fortsetzen, bis man über die Treppen aus nördlicher oder westlicher Richtung die drei tiefer liegenden Terrassen erreicht.  Vom tiefsten Punkt des Gartens aus betrachtet, scheinen die Pflanzen auf den hohen Mauern zu ‚hängen’, so dass sich ein Zitat des assyrischen „hängenden Gartens“ vermuten lässt.  Insgesamt nicht weniger als 37 Skizzen wurden bis April 1963 angefertigt. Aus Kostengründen musste aber auf die Wasserelemente verzichtet werden. Die Wasserbecken wurden in Pflanzbecken umfunktioniert.

Hammerbacher, die dem architektonisch geformten Garten stets kritisch gegenüber stand,  machte mit dem Entwurf des Tiefgartens ein persönliches Zugeständnis, das sie lebenslang in entgegengesetzter Richtung den Architekten abverlangte: sich in die Gartenlandschaft einzufügen.
Am Beispiel des Tiefgartens plazierte sie eine perfekte Umkehrung des „aus der Landschaft heraus wachsenden Hauses“: Ein Garten, der in das Haus hineinwächst. Seit 1994 unter Schutz gestellt, kann der Tiefgarten als seltenes Zeugnis einer Gartenkonzeption betrachtet werden, indem  Hammerbacher ihre Philosophie des Gartens in der Sprache der Architektur übersetzte. 








[i] Bollé, Michael [Hrsg.]: Der Campus, Ein Architekturführer durch das Gelände der Hochschule der Künste und der Technischen Universität Berlin, Verlag Willmuth Arenhövel Berlin 1994
[ii] Archiv Scharoun TU, I/5; Hahmann: Aktennotiz vom 9. September 1945, Archiv der Akademie der Künste, Scharoun
[iii] ebd. WV Nr. 232: Fachschaft Architektur an Scharoun
[iv] ebd.
[v] NL HH: TU Präsidenten 1.1.1982
[vi] NL HH: Gedanken zur Wiederherstellung der Gartenflächen am Südflügel des Hauptgebäudes der Technischen Universität Berlin  - 1952, MS 1979
[vii] TU [Hrsg.] 1965: Technische Universität Berlin, Zusammenstellung u. Bearbeitung v. Fritz Winkel, Stuttgart 1965, S. 66
[viii] Geist, Johannes F: in: Bollé, Michael [Hrsg.], 1994, S. 7
[ix] Suckale, Robert: in Brachmann, Christoph / Suckale, Robert [Hrsg.]: Die Technische Universität Berlin und ihre Bauten, Verlag Bauwesen, Berlin 1999, S. 113
[x] ebd.
[xi] TU 1965, S. 40
[xii] ebd. S. 66
[xiii] Suckale, S. 139.
[xiv] NL HH 1.1.1982
[xv] Suckale 1999, S. 127-129
[xvi] Brachmann 1999, S. 135











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